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Demografiesensibles Personalmanagement in der öffentlichen Verwaltung
Dieter W. Glas - Vorstand bei der RENTA CONTROL UNION
Die demografischen Entwicklungen in Deutschland und die ausgeführten Altersanalysen lassen den Schluss zu, dass bis zum Jahr 2035 ca. 38 % der Bediensteten und Angestellten altersbedingt aus dem öffentlichen Dienst ausscheiden. Zeitgleich schrumpft der Anteil der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter um über 18 %. Diese Schere wird sich auch zukünftig weiter öffnen, was einen Fachkräfteengpass und eine verstärkte Konkurrenzsituation um qualifiziertes Personal zur Folge hat. Bundeswehr, Polizei aber auch der gesamte öffentliche Dienst werben bereits mit z. T. außergewöhnlichen Mitteln und Methoden um qualifiziertes Personal.
Um sich dieser Wettbewerbssituation noch rechtzeitig stellen zu können - darin ist sich die Mehrheit der Erfahrungsträger der öffentlichen Verwaltung und öffentlichen Wirtschaft einig - bedarf es eines ganzheitlichen Personalkonzeptes und eines sehr engagierten Personalmanagements.
Die öffentliche Hand steht bereits heute und in den nächsten Jahren vermehrt vor imensen Herausforderungen. Diese erfordern z. T. völlig neue Handlungskompetenzen bei den Bediensteten und Angestellten aller Ebenen. Ferner hat sich eine Vielzahl der wissenschaftlichen bzw. technischen Einrichtungen des Bundes und der Länder den beständig wachsenden internationalen Herausforderungen ihrer Branche unter sehr komplizierten wettbeweblichen Bedingenung zu stellen.
Bereits heute findet der öffentliche Dienst bei den erheblich gestiegenen Anforderungen an die Arbeit in über 25 % aller Stellenausschreibungen nicht mehr das gesuchte Personal und muss zunehmend bei den Einstellungen ganz erhebliche Kompromisse eingehen bzw. steigt die Fluktuation nach Einstellung nicht unerheblich, weil die Erwartungshaltungen nicht erfüllt werden können. Der Grundsatz der Bestenauslese im Sinne des Art. 33 GG findet im öffentlichen Dienst deshalb seit Jahren keine uneingeschränkte Anwendung mehr.
Die von der RENTA CONTROL UNION erneut im Jahr 2020 ausgeführte und auch repräsentative Befragung von Einrichtungen der Länder und Kommunen (über diesen Link bitte anfordern) zeigt, dass nur 48 % aller Befragten über ein aktuelles Personalkonzept verfügte. Davon hatten aber lediglich 18 % der Befragten ein ganzheitliches Konzept mit einer:
- individuellen Personalbedarfsplanung und einer konkreten Personaleinsatzplanung
und aktueller
- Personalentwicklungsplanung
vorliegen. Dagegen verfügten ca. 35 % aller Befragten über eine stimmiinnige mittelfristige Personalkostenplanung und z. T. ein noch laufendes Personalabbaukonzept und hatten keine konkreten personalpolitischen Maßnahmen ergriffen, um den steigenden Herausforderungen der demographischen Situation und dem zunehmenden Fachkräftemangel zu begegnen.
Alle Erfahrungen zeigen aber, dass ohne eine exakte Personalbedarfsanalyse und Personalbedarfsplanung kein schlüssiges und in die Zukunft weisendes Personalkonzept zu entwickeln sein wird. Allein ein Personalabbaukonzept oder die Vorgabe zur vorwiegend internen Stellenauschreibung kann den heutigen und zuünftigen Herausforderungen nicht mehr genügen. Die erforderlichen Analysen und Planungen zum Personal sind vom heutigen und vor allem zukünftigen Aufgabenbestand der jeweiligen Einrichtung bzw. Verwaltung, der Branche und Region, direkt abhängig. Deshalb sind die Personalbedarfsplanungen einerseits wichtigster Ausgangspunkt aber andererseits auch sehr individuell und unikal. Bei vielen Einrichtungen und Verwaltungen gelten deshalb diese Analysen und Planungen als wichtigstes "Betriebsgeheimnis", weil davon Ihre Wettbewerbsfähigkeit und zukünftige Entwicklung, der Erfolg oder das Versagen in entscheidendem Maße abhängen.
Hinsichtlich der Personalbedarfsanalyse führten in 2020 mehr als 69 % der Befragten bereits Altersstrukturanalysen sowie Abwesenheits- und Fehlzeitanalysen aus. Stärker als bisher, nämlich bei 45 % aller Befragten wurden in 2020 Fluktuationsanalysen eingesetzt.
Auch bei der Personalentwicklung wurden Fortschritte verzeichnet. Diese reichen jedoch noch nicht aus, um den hohen Herausforderungen im Personalmanagement gerecht zu werden. Über 50 % der Einrichtungen und Verwaltungen verfügten über eine aktuelle Planung zur Qualifizierung der ersten Führungsebene, welche auch regelmäßig umgesetzt wurde. Dagegen bestand bei weniger als 20 % der Befragten ein Qualifizierungskonzept für das mittlere Management. Letzeres ist seit vielen Jahren bekannt aber bisher ohne wesentlich Abhilfe geblieben. Statt dessen ist im mittleren Management eine immer noch steigende Fluktuationsrate zu verzeichnen, da fachliche und methodische Kenntnisse von Beginn an fehlten und die sehr guten Ideen des Top-Management z. T. ohne ausreichende praktische Umsetzung und nachhaltiger Kontrolle blieb. Deshalb ist es dringlicher denn je, das mittlere Management mit dem notwendigen Rüstzeug auszustatten, da dort die tägliche und ganz praktische Auseinandersetzung zur Implementierung konzeptioneller Veranlassungen stattfinden muss.
Wesentlich besser sah es bei den Konzepten für verpflichtende Seminare aus, welche bei gut 50 % vorhanden waren und auch z. T. gut umgesetzt wurden. Dennoch fehlt es z. T. an der Teilnahme zu pflichtigen Qualifikationen. Hier bleibt nur die regelmäßige und genaue Kontrolle durch den Arbeitgeber, wo das Gesetz eine einmalige oder wiederholende Fortbildung vorschreibt und ob diese auch tatsächlich urkundlich in der Personalakte vorliegt.
Fachkarrierekonzepte, welche vorwiegend in Einrichtungen des Bundes und der Länder oder in größeren kommunalen Verwaltungen Sinn machen, spielten laut der Befragung nur eine gringe Rolle in der Personalentwicklung. Insbesonde für die wissenschaflichen und technischen Einrichtungen des Bundes oder der Länder sollte das aber ein Alarmsignal sein, denn international ist der Zug mit der Umsetzung von Facharrierekonzepten bereits in voller Fahrt, sodass man schleunigst noch aufsprinen sollte. In den meisten wissenschaftlichen oder technischen Einrichtungen ist das Problem aber bereits erkannt. Ohne jeden Zweifel vertieft sich die Spezialisierung von Fachkräften weiter, wobei sich dabei die Karrierewege einerseits über eine traditionelle Leitungsfunktion und andererseit über eine sog. Fachkarriere vollziehen. Möchte man seine Spezialisten langfristig binden, wird das ohne ein schlüssiges Fachkarrierekonzept nicht mehr möglich sein, denn der traditionelle Karriereweg über eine Leitungsfunktion ist für die meisten Spezialisten auch mittelfristig nicht eröffnet. Insbesondere die wissenschaftlichen und technischen Einrichtungen und großen kommunalen Verwaltungen leiden bereits seit Jahren unter einem enormen Aderlass, betreffend ihrer Spezialisten, welche z. T. in die private deutsche Wirtschaft aber auch bereits vermehrt international abwandern. Wird dieser Trend mittelfristig nicht aufgehalten, werden die Einrichtungen des Bundes und der Länder, die Kreisverwaltungen sowie die größeren kommunalen Verwaltungen (letztere hinsichtlich ihrer Spezialisten) personell ausbluten.
Insbesondere die operative Absicherung der Personalgewinnung und die Deckung des strategischen Personalbedarfs werden den Anforderungen nicht mehr gerecht.
Alle Befragten gaben an, dass die Quantität und Qualität externer Bewerber messbar abgenommen hat. Insbesondere ist das bei den Laufbahngruppen des gehobenen und höheren Dienstes und solchen Tätigkeiten, die ein spezifisches Studium bzw. eine besondere Ausbildung verlangen, der Fall. Wissenschaftliche und wissenschaftlich-technische Einrichtungen, welche Ihr Personal traditionell auch international suchen müssen, finden mit ihrem Stellenplan auf dem internationalen Personalmarkt für eine Reihe von Stellen bzw. Planstellen seit geraumer Zeit keine Bewerber mehr. Hier zeigt sich, dass eine zukunftsfähige Personalbedarfsplanung rechtzeitig mit einer darauf abgestimmten tariflichen Planung verbunden werden sollte, weil sonst der Kampf um die "besten Köpfe" auch in Zukunft verloren gehen wird und die Einrichtungen ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit schnell verlieren werden.
Insbesondere die kleinen und mittleren kommunalen Verwaltungen sprechen ihre potenziellen Beschäftigten noch ausschließlich in den Printmedien an. Die eigenen Internetauftritte, Online-Jobbörsen oder Social-Media-Plattformen werden dazu noch zu wenig genutzt. Im Zeitalter der Digitalisierung wird hierbei ein schnelles Umdenken erforderlich werden. Auch die Post ist nach wie vor der am häufigsten genutzte Bewerbungskanal in Deutschland, wobei eine zunehmende Zahl der Einrichtungen und Verwaltungen nunmehr auch E-Mail-Bewerbungen bei Beachtung des Datenschutzes erlaubt. International ist festzustellen, dass kaum noch postalische Bewerbungen stattfinden und die Bewerbungen vornehmlich per vorgegebenem Web-Formular ausgeführt werden.
Die in Deutschland am häufigsten genutzten Methoden der Personalauswahl sind die postalisch eingereichten Bewerbungsunterlagen, Zeugnisse und Beurteilungen sowie herkömmliche Einstellungsgespräche aber auch bei über einem Drittel bereits strukturierte Einstellungsinterviews. Selbst einfache Einstellungstests oder qualifiziertere Assessment-Center-Tests kommen nach wie vor nur bei etwas über 25 % der Befragten zum Einsatz. Dort wo solche Tests stattfinden, werden zu über 80 % Paper-Pencil-Verfahren benannt. Der Trend geht jedoch dabei zu Online-Verfahren oder zu Tablet-Verfahren vor Ort.
Die Folge fehlender Tests beim Einstellungsverfahren ist eine seit Jahren kontinuierlich ansteigende Fluktuation, welche nachweislich auf Fehleinstellungen zurückgeführt werden kann. Die Kosten und Aufwendungen solcher Fehleinstellungen werden von allen befragten Einrichtungen und Verwaltungen, die Angaben dazu machten, mit ca. einem halben Jahresgehalt zur jeweiligen Stelle angegeben.
Wenn Sie die vollständige Analyse lesen möchten (veröffentlicht in der Info.doc 10/2021 oder weitere Informationen benötigen bzw. sich für die von der rcu ausgeführte Befragung von Einrichtungen des Bundes und der Länder aus dem Jahr 2021 interessieren, dann fragen sie gern nach unter:
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